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Neues Abmahngesetz im Wettbewerbsrecht: Auswirkungen auf Abmahnungen und Praxis

Weit mehr als ein Jahr hat es gedauert, dass das „neue Abmahngesetz“ im Wettbewerbsrecht nunmehr seit dem 02.12.2020 gilt. Das neue Abmahngesetz enthält hierbei zahlreiche Neuerungen, die einerseits den Ausspruch von Abmahnungen in der ursprünglichen Form erschwert, sowie andererseits im erheblichen Umfange neue Verteidigungsperspektiven eröffnet.

Natürlich lagen uns hierzu bereits seit dem 02.12.2020 zahlreiche wettbewerbsrechtliche Abmahnungen vor, bei denen erblickt werden konnte, dass diese zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil diese Voraussetzungen nicht oder nicht in Gänze oder auch nicht klar erfüllten. Dies hat uns doch sehr überrascht, da natürlich diese Änderung im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb gerade in der Fachwelt des gewerblichen Rechtsschutzes in den letzten ca. 1,5 Jahren ein Dauerdiskussionsthema war.

Im Folgenden möchten wir Ihnen die wesentlichsten Änderungen einmal vorstellen sowie die damit im Zusammenhang stehenden Konsequenzen in kurzer anschaulicher Form aufzeigen.

Neue formelle Anforderungen an die Abmahnung

In dem neuen bzw. abgeänderten § 13 UWG ist nunmehr gem. § 13 Abs. 2 UWG geregelt, dass der Abmahner bei dem Ausspruch einer Abmahnung bestimmte formelle Anforderungen einhalten muss. Danach muss der Abmahner in der Abmahnung klar und verständlich über folgende Punkte informieren:

  • Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Falle einer Vertretung zusätzlicher Name oder Firma des Vertreters;
  • Die Voraussetzung der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG;
  • Ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet;
  • Die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände;
  • Sowie für den Fall, dass ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen ist, dass der Aufwendungsersatzanspruch nicht besteht.

Letztendlich ist festzustellen, dass diese formellen Voraussetzungen auch bereits vor der Kodifizierung im Gesetzt nach Ansicht der gängigen Rechtsprechung und auch in Literatur sogenannte Mindestvoraussetzungen waren, die im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Abmahnschreibens eingehalten werden mussten. Die Besonderheit die jedoch nunmehr besteht ist beispielsweise die Informationspflicht, dass darauf hingewiesen werden muss, wenn ein Aufwendungsersatzanspruch ausgeschlossen ist. Dieses ist immer dann der Fall, wenn es sich bei den abgemahnten Punkten um Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr handelt. Hierbei handelt es sich um einige Klassiker aus dem Abmahnbereich, die immer wieder Gegenstand von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen in den letzten Jahren waren. Exemplarisch zählen hierzu Belehrungen über das Widerrufsrecht, Impressumspflichten, Verstöße gegen die Preisangabenverordnung oder auch gegen das Textilkennzeichnungsgesetz.

Welche Konsequenzen bestehen bei Nichteinhaltung dieser Formvorschriften?

13 Abs. 5 UWG sieht in diesem Falle vor, dass bei Nichteinhaltung dieser formellen Voraussetzungen die ausgesprochene Abmahnung einerseits unberechtigt ist. Darüber hinaus wird dem Abgemahnten in diesen Fällen das Recht eingeräumt, die eigenen entstandenen Verteidigungskosten für den eigenen Rechtsanwalt gegenüber der Gegenseite geltend zu machen. Dies stellt im Wettbewerbsrecht in der Tat ein Novum dar. Im Gegensatz zum Wettbewerbsrecht ist es im Markenrecht, Urheberrecht sowie Designrecht seit jeher üblich, dass im Falle des Ausspruches von unberechtigten Abmahnungen der Abgemahnte Gegenansprüche geltend machen kann. Im Wettbewerbsrecht galt bisher die Regelung, und zwar bereits seit ca. 120 Jahren, dass im Falle des Ausspruches einer unberechtigten Abmahnung dem Abgemahnten solche Ansprüche nicht zustehen. Dies hat sich durch das neue Gesetz geändert und eröffnet gleichzeitig hervorragende weitere Verteidigungsperspektiven.

Regelungen zum Rechtsmissbrauch

Wie bereits vor dem neuen Gesetz ist es natürlich weiterhin rechtswidrig sogenannte rechtsmissbräuchliche Abmahnungen auszusprechen. Die Regelung, die bisher galten, und rein durch die Gerichte aufgestellt wurden, sind nunmehr zum größten Teil ebenfalls kodifiziert, d. h. in das Gesetz aufgenommen worden.

So heißt es nunmehr im Gesetz, dass eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen ist, wenn

  • die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,
  • ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
  • ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
  • offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden,
  • eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht,
  • mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden oder
  • wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

Auch im Falle des Ausspruches einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung besteht der Anspruch des Anspruchsgegners vom Anspruchsteller, d. h. vom Abmahner, den Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen zu verlangen.

Neue Regelungen zur Vertragsstrafe

Auch die Regelung zur Festlegung und Geltendmachung einer Vertragsstrafe sind reformiert worden. Soweit zunächst im Rahmen der Abmahnung ein Verstoß gegen Informationspflichten oder Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gerügt wurde, ist die Festlegung bzw. Geltendmachung einer Vertragsstrafe nach § 13 a Abs. 2 UWG vollumfänglich ausgeschlossen. In allen weiteren Fällen darf im Regelfall die Vertragsstrafe eine Höhe von 1.000,00 € pro Verstoß nicht überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbraucher, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt und der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Wird beispielsweise eine unangemessen hohe Vertragsstrafe versprochen, sieht ebenfalls die Vorschrift des § 13 a UWG vor. Dass lediglich eine angemessene Vertragsstrafe geschuldet wird. Die sicherlich einschneidendste Besonderheit dürfte darin bestehen, dass im Falle von Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten eine Vertragsstrafe überhaupt nicht gefordert werden kann.

Abschaffung des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes

Die sicherlich einschneidendste Änderung betrifft die Abschaffung des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes. Bis zum 02.12.2020 war es möglich, insbesondere bei Verstößen, die das Internet betrafen, dass im Falle von Wettbewerbsverletzungen sich der Abmahner dasjenige Gericht aussuchen konnte, welches er für die Durchsetzung seiner Ansprüche als am günstigsten hielt. Dies führte letztendlich dazu, dass sich einige Spezialgerichte in der Bundesrepublik Deutschland, speziell für das Wettbewerbsrecht, in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hatten. Die Möglichkeit, sich den Gerichtsstand auszusuchen, ist nunmehr durch das „neue Abmahngesetz“ ebenfalls abgeschafft worden. Nunmehr regelt die Vorschrift des § 14 UWG, das für die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruches nach dem UWG das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Beklagte, mithin der Abgemahnte, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dies bedeutet, dass Klagen aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen stets an dem Standort des Beklagten erhoben werden müssen.

Welche Konsequenzen hatte die Änderung des Gesetzes?

Zunächst halten wir das Gesetz entgegen anders lautender Stimmen aus der Anwaltschaft nicht für derart einschneidend wie dies häufig dargestellt ist. Zunächst ist festzustellen, dass die in dem Gesetz getroffenen Regelungen letztendlich in vielen Aspekten wie bereits vorher geltende Rechtslage wiedergeben. Dies betrifft speziell die formellen Voraussetzungen einer Abmahnung sowie auch die aufgestellten Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauches. Die nunmehr im Gesetz festgelegten Voraussetzungen waren nämlich bereits zuvor faktische Rechtslage, da die Gerichte nach diesen Kriterien immer entschieden haben.

Sicherlich gilt die neue Besonderheit, dass im Falle von Mängeln in diesem Bereich der Abgemahnte seine Rechtsverteidigungskosten von der Gegenseite, mithin vom Abmahner verlangen kann. Dies halten wir für durchaus begrüßenswert.

Ziel des Gesetzes war unter anderem den sogenannten Rechtsmissbrauch zu einzudämmen. Hierbei hatte der Gesetzgeber im speziellen Abmahnvereine sowie Verbände im Auge. Erstaunlicherweise hat sich jedoch bei der genauen Lektüre des Gerichts für die einzelnen Verbände und Abmahnvereine nicht viel verändert. Denn auch diese können nach der Gesetzeslage weiter kostenpflichtig Informationspflichten sowie Kennzeichnungspflichten abmahnen. Das hier dem Gesetzgeber ein besonderer Clou gelungen ist, halten wir für fraglich.

Im Gegenteil halten wir es für durchaus problematisch, dass im Falle der Verletzung von Kennzeichnungspflichten sowie Informationspflichten der Konkurrenz, der sich für den Ausspruch einer Abmahnung entscheidet, keinerlei Kosten mehr verlangen kann. Denn schließlich hat sich dieses System bewährt. Das deutsche Wettbewerbsrecht fußte stets auf dem Grundsatz, dass sich der Wettbewerb untereinander kontrolliert. Wir sind der Auffassung, dass durch die erfolgten Einschränkungen an dieser Stelle durchaus die Möglichkeit ergeben wird, dass gewisse Nachlässigkeiten von Konkurrenten im Umgang mit der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen festzustellen sein könnten. Auf der anderen Seite wird die Gesetzesänderung nach unserer Auffassung nicht dazu führen, dass es zu weniger Abmahnungen kommen wird. Aus diesem Grund wird es auch genauso für Sie als Onlinehändler wichtig sein, dass Sie weiterhin korrekte AGB sowie weitere Rechtstexte vorhalten. Sie erhalten ggf. nicht mehr unbedingt so viele Abmahnungen von unmittelbaren Konkurrenten, jedoch werden die entsprechenden Verbände und Abmahnvereine sodann diese Rolle vermehrt einnehmen. Hiervon sind wir persönlich sehr überzeugt.

Des Weiteren halten wir die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes für einen Fehler. Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes dazu führen wird, dass es zahlreiche Gerichte geben wird, die sich nunmehr mit wettbewerbsrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen haben, mit denen sie zuvor nichts oder nur wenig zu tun hatten. Der Vorteil an dem fliegenden Gerichtsstand bestand schlicht und ergreifend darin, dass die Kammern bei den einschlägigen Gerichten hoch spezialisiert waren. Dies führte daher dazu, dass es bereits in der ersten Instanz Rechtssicherheit gab. Nunmehr dürfte die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes dazu führen, dass die zweiten Instanzen, mithin die Berufungsinstanzen, vielmehr in Anspruch genommen werden dürften.

Sollten Sie eine Abmahnung aus dem Wettbewerbsrecht bekommen haben, dürften wir Ihnen versichern, dass wir für Sie diese natürlich nach der neuen Rechtslage beurteilen werden. Wir sind natürlich weiterhin hoch spezialisiert auf das Institut der Abmahnung. Wir vertreten Sie gern im Falle des Erhaltes einer Abmahnung bundesweit. Gleiches gilt auch für den Ausspruch einer Abmahnung gegenüber einem Ihrer Mitbewerber. Auch mit diesem Fall stehen wir Ihnen bundesweit sowie auch international jeder Zeit sehr gern zur Verfügung. Das Erstgespräch ist bei uns kostenlos Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

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