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Amazon - Die neue „von“-Rechtsprechung des OLG Hamm - Anhängen oder nicht mehr?

(Alte) Rechtslage zur Anhängeproblematik bei Amazon?

Wir haben mehrfach in den vergangenen Jahren über die sogenannte „Anhänge-Problematik“ an Produkten bei Amazon berichtet. Daneben haben wir eine dreistellige Anzahl von gerichtlichen sowie außergerichtlichen Verfahren für unsere Mandanten sowohl auf Aktiv- als auch auf Passivseite geführt, in denen es stets um die Frage ging, inwieweit das Anhängen an fremde Produkte bei Amazon unter Verwendung eines Markenzeichens oder auch unter Verwendung einer geschützten geschäftlichen Bezeichnung sich als Markenrechtsverletzung im Sinne der §§ 4, 14 MarkenG oder auch den §§ 5, 15 MarkenG darstellt.

Insoweit vertrat die Rechtsprechung, insbesondere auch die Rechtsprechung des OLG Hamm, in den letzten Jahren stets die Auffassung, dass das Anhängen an fremde Produkte bei Amazon unter Verwendung des Markenzeichens eines Konkurrenten stets eine Markenrechtsverletzung darstellt.

Die Fälle gestalteten sich in der Regel derart, als dass sich beispielsweise ein Konkurrent unserer Mandantschaft an ein Produkt anhängte und das Produkt in der sogenannten „von“-Zeile mit dem Markennamen oder der geschützten geschäftlichen Bezeichnung unserer Mandantschaft versehen war. In diesen Fällen war es stets klar, dass zu Lasten der eigenen Mandantschaft oder des entsprechenden Händlers eine Markenrechtsverletzung vorgelegen hat.

Interessanterweise galt diese Rechtsprechung nicht nur für eingetragene Marken, sondern auch für den Fall, soweit der Mandant über eine geschützte geschäftliche Bezeichnung im Sinne von §§ 5, 15 MarkenG verfügte. Insoweit hatte unsere Kanzlei auch bereits im Jahre 2013 ein Urteil für einen unserer Mandanten vor dem OLG Hamm über zwei Instanzen erstritten, bei dem ein Konkurrent unserer Mandantschaft bei dem Angebot seines Artikels die geschützte geschäftliche Bezeichnung unserer Mandantschaft verwendet hatte. Unsere Partei erhielt hierbei in beiden Instanzen Recht. Auch hierbei handelte es sich um Angebote, welche auf dem Onlinemarktportal Amazon durch beide Parteien verkauft wurden. Dieses Urteil wurde in den Folgejahren von allen Seiten häufig zitiert und ist in allen juristischen Datenbanken veröffentlicht (OLG Hamm, Urteil vom 05.03.2013, Az: 4 U 139/12).

Kehrtwende des OLG Hamm oder nur eine Ausdifferenzierung der bisherigen Rechtsprechung?

Nunmehr mussten wir bereits bei gleich zwei anhängigen Berufungen vor dem OLG Hamm erfahren, dass der zuständige Senat für Wettbewerbssachen seine Auffassung im Hinblick auf die Anhängeproblematik zumindest differenzierter betrachtet.

Das OLG Hamm sieht nunmehr in solchen Fällen, in denen durch die Unternehmer gleichartige Produkte von einem Dritthersteller angeboten werden, eine eigene Irreführung desjenigen Anbieters als gegeben an, der das Produkt in der „von“-Zeile mit seiner geschützten geschäftlichen Bezeichnung oder einer auf ihn lautenden Marke oder eingetragenen Marke kennzeichnet. Das Gericht hat hierzu in seiner Entscheidung vom 22.11.2018 (OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2018, Az: 4 U 73/18) klargestellt, dass die „von“-Angabe regelmäßig als ein auf den Hersteller des Produktes hinweisendes Kennzeichen durch den Verkehr aufgefasst wird.

Die grundsätzlich vorgefertigte Produktgestaltung von Amazon gebiete es hierbei, dass der Verkehr den Hinweis als einen solchen auf den Verkäufer des Produktes sieht, weil dieser bei den in Rede stehenden Angeboten von Amazon grundsätzlich an anderer Stelle ausdrücklich als solcher benannt ist. Derjenige Kläger, der in der Situation der Entscheidung des OLG Hamm seine Ansprüche ebenfalls auf § 5 UWG stütze, ist nach der Ansicht des Senates dieser Einwand aus den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB verwehrt. Das Gericht stellt sich hierbei auf den Standpunkt, dass hierbei die Rechtsposition des Klägers selber auf seinem eigenen unlauteren, da gleichermaßen irreführenden Handeln, beruht. Konkret heißt es in der Entscheidung des Gerichtes wie folgt:

„Denn die Rechtsposition des Klägers beruht auf seinem eigenen unlauteren, da gleichermaßen irreführenden Handeln (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 61. Auflage, § 242 Rn. 42 zum unredlichen Erwerb der eigenen Rechtstellung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung). Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns des Beklagten wird nämlich einzig und allein durch das gleichermaßen irreführende eigene Angebot des Klägers provoziert – und dies geht über den sog. Unclean hands - Einwand hinaus (hierzu Senat, Urteil vom 05.03.2013 - 4 U 139/12, juris). Denn er selbst ist ebenso wenig Hersteller, sondern lediglich Händler ...“

Das Gericht sieht daher in der konkreten Angebotsgestaltung, insbesondere bei der Nennung der Geschäftsbezeichnung in der „von“-Zeile konkret eine Irreführung des Verkehrs dahingehend, als dass hierdurch dem durchschnittlichen Verbraucher fälschlicherweise suggeriert wird, dass es sich bei dem Verkäufer auch gleichzeitig um den Hersteller handelt.

In einem weiteren Hinweisbeschluss des OLG Hamm vom 07.03.2019, bei dessen Verfahren ebenfalls unsere Kanzlei beteiligt war, weitet das Gericht seine Entscheidung auch ausdrücklich auf das Markenrecht aus. Dort heißt es auszugsweise wie folgt:

„Der Senat hat bereits entschieden, dass in einer mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbaren Fallkonstellation die Geltendmachung eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruches nach § 8 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 UWG (Irreführung über die betriebliche Herkunft) durch den ursprünglichen Ersteller der Produktdetailseite treuwidrig ist (vgl. Senat, Urteil vom 22.11.2018 - 4 U 73/18 - juris). Für die Geltendmachung markenrechtlicher Ansprüche, die durch eine irreführende Markenbenutzung seitens des Erstellers der Produktdetailseite provoziert wurden, kann nichts anderes gelten. Ebenfalls nichts anderes gilt, soweit es sich bei dem Zeichen „…“ um ein geschütztes Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 MarkenG handeln sollte.“

Kurz um kann man die neue Rechtsprechungstendenz des OLG Hamm wie folgt zusammenfassen:

Das OLG Hamm vertritt nunmehr die Ansicht, dass in solchen Konstellationen, in denen das gleiche Produkt angeboten wird, welches ggf. vom gleichen Dritthersteller stammt oder die Parteien dieses Produkt vom gleichen Zulieferer beziehen, die Nennung der Marke in der „von“-Zeile eine eindeutige Irreführung im Sinne des § 5 UWG des Anbieters darstellt, was dazu führt, dass er sich im Hinblick auf sich anhängende Mitbewerber nicht mehr auf sein Markenrecht berufen kann.

Kritik

Betrachtet man sich die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung im Ganzen, dürfte es sich bei dieser neuen Rechtsprechungstendenz nach diesseitiger Auffassung um ein Novum handeln. Wie man diese neu aufgestellten Grundsätze letztendlich sauber dogmatisch mit dem Markenrecht in Einklang bringt, muss weiter abgewartet werden. Denn schließlich ist zu konstatieren, dass die Berufung auf § 242 BGB natürlich in Ausnahmefällen ein taugliches und anerkanntes Mittel darstellt, um sachgerechte Ergebnisse zu erreichen. Dennoch erscheint es durchaus fraglich, inwieweit diese neu aufgestellten Grundsätze mit dem alt hergebrachten Grundsatz zu vereinbaren sind, wonach beispielsweise vorgegebene Nutzungsbedingungen von Verkaufsportalen lediglich das Rechtsverhältnis zwischen Portalbetreiber und Nutzer, jedoch nicht zwischen den Nutzern untereinander regeln.

Insoweit dürfen wir darauf hinweisen, dass wir derzeit auch noch ein weiteres Verfahren vor dem OLG Köln vertreten, bei dem wir uns auf der Seite des Markeninhabers befinden. Die natürlich anwaltlich vertretene Gegenseite argumentiert nunmehr mit der vom OLG Hamm aufgeworfenen Argumentation. Es bleibt abzuwarten, ob diese Argumentation sich bei den Oberlandesgerichten, und ggf. beim Bundesgerichtshof, durchsetzen wird.

Lösungsmöglichkeiten für Amazonhändler?

Soweit Sie Inhaber eines Markenrechtes oder einer geschützten geschäftlichen Bezeichnung sind, bestehen natürlich durchaus verschiedene Möglichkeiten, die eigenen Produkte weiter in der ursprünglichen Art und Weise unter Berufung auf das eigene Ausschließlichkeitsrecht in Form einer angemeldeten Marke oder einer geschützten geschäftlichen Bezeichnung anzubieten, ohne einen Wettbewerbsverstoß, wie es zumindest derzeit das OLG Hamm annimmt, zu begehen. Wir beraten Sie hierzu gerne. Sollten Sie auf der anderen Seite stehen, ggf. das Opfer einer sogenannten Infringement-Meldung von Amazon sein, bestehen insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des OLG Hamm ebenfalls sehr gute Chancen, sich unter Berufung auf den sogenannten Behinderungswettbewerbstatbestand aus dem UWG und der Rechtsprechung des OLG Hamm sich hiergegen zur Wehr zu setzen.

Wir beraten Sie bundesweit. Vor dem Hintergrund der von uns als Fachanwaltskanzlei für gewerblichen Rechtsschutz geführten Verfahren, insbesondere zu dieser Thematik, können Sie sicher sein, dass Sie bei uns eine seriöse sowie sichere Beratung oder Vertretung erhalten werden. Wir freuen uns auf jeden Fall auf Ihre Kontaktaufnahme, gerne telefonisch, per E-Mail oder auch per Fax.

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