Oops, wer hat das Formular gegessen?

Ist eine vorbeugende Unterlassungserklärung eine Lösung für Folgeabmahnung?

Die Frage, ob die Abgabe von vorbeugenden Unterlassungserklärungen im Falle des Vorwurfs einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing sinnvoll ist, wird von verschiedenen Juristen und im Urheberrecht versierten Rechtsanwälten häufig unterschiedlich beantwortet. Jedoch ist die Frage zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin aktueller denn je. Wie bereits im letzten Jahr haben wir auch in diesem Jahr in unserer Kanzlei festgestellt, dass die Anzahl von Folgeabmahnungen durch die gleiche oder andere Kanzleien im Verhältnis zum letzten Jahr weiter erheblich gestiegen sind. Gerade bestimmte Kanzleien sind für den Ausspruch von Folgeabmahnungen bekannt und berüchtigt, wenn es sich um die Abmahnung einzelner Lieder handelt, welche sich auf Musiksamplern oder den berühmten „Top-100-Charts" befinden.

Die Gefahr von Folgeabmahnungen bei Erstabmahnungen, die beispielsweise einen Top – 100 Chartcontainer betreffen ist enorm. So sind mir kaum Fälle bekannt, in denen keine Folgeabmahnung – sei es durch die erst abmahnende Kanzlei oder eine andere – ausgesprochen wird.

So treffe ich in meiner täglichen Beratungspraxis häufig auf folgende Konstellation:

Es erscheint ein Mandant, der durch eine Kanzlei wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung an einem Lied abgemahnt wurde, welches Bestandteil eines Top 100 Chart Containers ist. Da der Rechtsanwalt seinem Mandanten selbstverständlich eine umfassende Beratung schuldet, wird auf die Gefahr von Folgeabmahnungen hingewiesen. Auch wird sodann die Möglichkeit einer sog. Vorbeugenden Unterlassungserklärung besprochen, wenn diese in der anzutreffenden Konstellation Sinn macht (dazu mehr unten).

Entscheidet sich der Mandant dagegen, so erfolgen in geschätzten 80 % weitere Abmahnungen, die hätten vermieden werden können. Jedoch ist hierbei einzuräumen, dass der Betroffene keine 99 weiteren Abmahnungen befürchten muss. Jedoch sind fünf bis acht Folgeabmahnungen keine Seltenheit.

Das oft gegen eine vorbeugende Unterlassungserklärung erklärte Argument, dass hierdurch „Schlafende Hunde" geweckt werden, ist nach unserer Ansicht nicht stichhaltig, da in den vorgenannten Fällen die „Hunde" oft bereits wach sind. Eine für jeden Fall zutreffende Antwort, ob eine vorbeugende Unterlassungserklärung Sinn macht oder nicht, gibt es grundsätzlich nicht. Jedoch hängt dies von folgenden Fallkonstellationen bzw. Fragestellungen ab:

Ist dem „Filesharer" bekannt, welche Werke über seinen Anschluss herunter geladen bzw. zum Upload angeboten worden sind?

Ist dem abgemahnten Anschlussinhaber genau bekannt, welche Werke über seinen Anschluss durch einen Dritten oder möglicherweise ihn selbst zum Upload im Rahmen einer Tauschbörse angeboten wurden, so können abhängig von der Anzahl der Werke, vorbeugende Unterlassungserklärungen durchaus sinnvoll sein. Ist dem Anschlussinhaber jedoch nicht bekannt, welche Werke über seinen Anschluss angeboten wurden, wäre die Abgabe von vorbeugenden Unterlassungserklärungen völlig sinnlos, da die Versendung von vorbeugenden Unterlassungserklärungen aufgrund der großen Anzahl von abmahnenden Rechteinhabern faktisch unmöglich ist und in keinem Kosten - Nutzen Verhältnis stünde.

Handelt es sich bei den Werken um solche, welche sich auf einem Musiksampler befinden oder Teil eines Chartcontainers sind?

Wird diese Frage bejaht, sollte im Rahmen einer guten und umfassenden Rechtsberatung zumindest die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung in Erwägung gezogen werden. Hier können erfahrende Anwälte im Bereich des Filesharings und des Urheberrechts meist mit einem Blick auf die Titelliste sehen, welche Werke derzeit verstärkt abgemahnt werden, so dass man vorbeugend tätig werden kann. Kommt in diesen Fällen hinzu, dass die zuerst abmahnende Kanzlei für Folgeabmahnungen bekannt ist und entsprechende Rechteinhaber mit Musiktiteln auf dem Sampler oder Chartcontainer vertritt, sollte nach unserer Ansicht die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung nicht nur in Erwägung gezogen werden, sondern definitiv abgegeben werden.

Rechtswirkungen der vorbeugenden Unterlassungserklärung

Die Folge einer vorbeugenden Unterlassungserklärung besteht darin, dass die sog. Wiederholungsgefahr bereits im Voraus entfällt. Dadurch ist es den abmahnenden Kanzleien nicht mehr möglich, die für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches geforderten meist sehr hohen Anwaltskosten zu fordern. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich der sog. Lizenzschadensersatz weiter gefordert werden kann, soweit der Verstoß durch den Anschlussinhaber persönlich begangen wurde (sog. Täterhaftung im Gegensatz zur Störerhaftung hinsichtlich des Unterlassungsanspruches). Dieser ist jedoch regelmäßig  geringer als die vorgenannten Anwaltskosten, so dass den abmahnenden Kanzleien hierdurch der Reiz zur Klage genommen wird, da solche Klagen aufgrund des geringen Streitwertes nicht  lukrativ für die abmahnenden Großkanzleien erscheinen.

Besonders geeignete Fälle für die Abgabe von sog. Vorbeugenden Unterlassungserklärungen

Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass es Fallkonstellationen gibt, in denen die Abgabe von vorbeugenden Erklärungen besonderen Sinn macht.

a) Ausgangssituation:

Der Mandant legt eine Abmahnung vor, in der ihm vorgeworfen wird, ein bestimmtes Lied im Rahmen einer Tauschbörse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Das Lied befindet sich auf einem Musiksampler. Eine Recherche ergibt, dass Folgeabmahnungen definitiv drohen. Der Mandant kann ausschließen, den Verstoß selbst begangen zu haben. Beispielsweise kann der Mandant darlegen und beweisen, dass er zum streitgegenständlichen Zeitpunkt urlaubsbedingt ortsabwesend war (sehr häufige Konstellation in der Praxis) oder sich der auf ihn angemeldete Internetanschluss an einem völlig anderen Ort befindet (beispielsweise Ferienwohnung, welche vermietet wird; ebenfalls häufige Konstellation).

b) Rechtliche Lösung:

Der Mandant haftet in der vorgenannten Konstellation definitiv nicht auf  Ersatz eines etwaigen Lizenzschadens. Dies könnte er im Rahmen eines gedachten Prozesses auch ausreichend darlegen und beweisen. Auch das sodann häufig zu hörende Gegenargument der Abmahnkanzleien, es könne ja sein, dass der Abgemahnte „den Internetanschluss nach Verlassen er Wohnung nicht abgeschaltet habe"   dürfte nach einer neuen Entscheidung des OLG Frankfurt nicht mehr stichhaltig sein (Beschluss des OLG Frankfurt vom 26.09.2011, Az: 11 U 53/11). So hat das OLG Frankfurt sehr überzeugend argumentiert, dass es für die Täterhaftung hierauf nicht ankomme. Entscheidend sei vielmehr der Aktivierungszustand des Computers, da nur über diesen der Anschlussinhaber selbst handeln könne.

Durch die Abgabe der vorbeugenden Erklärungen scheidet jedoch auch eine Haftung für die entstandenen Anwaltskosten aus, so dass selbst bei Erhalt weiterer Abmahnungen diese zurückgewiesen werden könnten. Im Ergebnis kann der Abgemahnte daher für weitere Abmahnungen nicht belangt werden. Ob er für die Erstabmahnung als sog. Störer haftet, ist sodann eine andere Frage.


Die Entscheidung zur Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung der Erstabmahnung. Bei der Abmahnung von Liedern auf Musiksamplern oder aus sog. Chartcontainern sollte die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung erwogen werden. Besteht keine positive Kenntnis darüber, welche Werke über den eigenen Anschluss angeboten wurden und liegt nicht Punkt 2. vor, muss von der Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung abgeraten werden.4.     Selbst im Fall der Geltendmachung von Lizenzschadensersatz ist dieser meist geringer oder leichter abzuwenden, als die in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsansprüche mit ihren entsprechenden höheren Kostenfolgen. Kann der Abgemahnte für sich ausschließen, den Verstoß in Person begangen zu haben und kann er dies zusätzlich im Falle eines Falles beweisen, so ist die Abgabe von vorbeugenden Unterlassungserklärungen angebracht.


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